Freitag, 25. April 2014

Rezension: Elke Hartmann - Heirat, Hetärentum und Konkubinat im klassischen Athen

Rezension: Elke Hartmann – Heirat, Hetärentum und Konkubinat im klassischen Athen

Die Dissertation „Heirat, Hetärentum und Konkubinat im klassischen Athen“, welche 2002 von Elke Hartmann publiziert wurde, hat mir mit Abstrichen sehr gut gefallen.


Elke Hartmanns Arbeit hat einen vorwiegend deskriptiven Charakter. Sie beschreibt, wie bereits der Titel verrät, die Heirat, das Hetärentum und das Konkubinat im klassischen Athen. Dafür verwendet sie einen klar strukturierten Aufbau.  

Sie beginnt mit einer ausführlichen Einleitung, die sich über beinahe 40 Seiten erstreckt. Diese wiederum unterteilt sie in eine Einführung, einen Forschungsüberblick, den sie wiederum in mehrere Unterpunkte gliedert, eine Fragestellung und Methode und die erneut untergliederte Quellenlage. Dabei ist der geschichtliche Hintergrund, den sie beschreibt, und die Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes besonders hilfreich für jemanden, der sich noch nicht so sehr mit dem Thema beschäftigt hat und gleichzeitig für Experten deshalb interessant, weil Hartmann aufzeigt, auf welchen Grundlagen ihre Dissertation beruht. Diese werden ebenfalls in der Fragestellung noch einmal erklärt und können dem Leser als sinnvolles Leitbild beim Lesen dienen. Selbigen Nutzen erbringt auch der zweite Teil der Arbeit „Gesetzliche Vorgaben zur Partnerwahl in der demokratischen Polis“.

Es folgen die im Titel enthaltenen Hauptkapitel, die im Prinzip immer gleich aufgebaut sind: Die Autorin beginnt mit zwei bis drei größeren Themen, die sie in verschiedene Unterpunkte gliedert und endet mit einer Zusammenfassung des Gesamtkapitels. Dabei weist der Hauptteil der Arbeit einige Schwächen auf, die hier exemplarisch beleuchtet werden sollen.

Wenn sie etwa Vermutungen als gegebene Wahrheit darstellt und schreibt: „An einem grundsätzlichen Verbot des Umgangs mit Fremden war Perikles nicht gelegen, es konnte ihm gar nicht daran gelegen sein, weil er selbst sich bereits um 445 von seiner athenischen Ehefrau getrennt hatte und danach mit der Milesierin Aspasia zusammenlebte.“ (S. 72). Der vermeintliche Beweis für ihre Behauptung ist durch zahlreiche Beispiele einfach zu entkräften. Eines wäre, dass Hitler auch grundsätzlich gegen Juden war und offen dafür eintrat, in seinem Privatleben aber durchaus freundschaftlichen Umgang zu einigen Juden pflegte, die er auch vor seinem eigenen Machtapparat schützte. Desweiteren wirkt ihr Vergleich von „Hochzeit“ und „Tod“ (S. 77f) erzwungen, sie interpretiert beispielsweise in das zitierte Gedicht etwas hinein, das meiner Meinung nicht beabsichtigt war. Die Gegenüberstellung der Hochzeitslieder und den „Schrei[en] der Klage“ zieht in meinen Augen keine Verbindung zwischen Hochzeit und Tod, sondern eben der Kontrast zwischen den beiden macht die traurige Bedeutung dieses Abschnitts aus.

Handelte es sich bisher um Mängel im historisch-empirischen oder literarisch-interpretatorischen Bereich, wird auch fachlich teilweise an einer Stelle zu wenig geboten, und zwar im Kapitel „1.1 Die Bedeutung der engye“ (S. 79ff). Wenn Hartmann „engye“ mit „Sicherheit“ übersetzt, dann begründet sie das zwar einerseits schlüssig und der Begriff ist möglicherweise eine relativ gute Annäherung an die wahre Bedeutung, er ist aber andererseits zu limitiert und eignet sich meines Erachtens nicht für den folgenden Gebrauch (S. 80f). Wer mindestens zwei Sprachen sehr gut beherrscht, weiß, dass es Begriffe gibt, die man einfach nicht übersetzen kann, zu viel ist damit verbunden. Das ist sowohl im Englischen, vor allem aber im Japanischen der Fall und ich bevorzuge an solchen Stellen in einer wissenschaftlichen Arbeit die Weiterverwendung des ursprünglichen Wortes, nachdem dessen Bedeutung so gut wie möglich erläutert wurde.

Bleibt man auf sprachlicher Ebene, sticht ein Wort schon beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses ins Auge: Der Konkubinat (Titel des fünften Kapitels). Wahrscheinlich rührt der falsche Artikel von der Tatsache, dass das lateinische Ursprungswort maskulin ist, was nichts daran ändert, dass das deutsche Wort „Konkubinat“ neutrum ist und es somit das Konkubinat heißt. Dieser Fehler ist beim Lesen von Kapitel fünf besonders störend.

Hartmann setzt diese Linie fort, wenn sie ihre Interpretation des Terminus pallake (S. 224) auf eine einzige Quelle stützt, in der dieser nicht einmal erläutert wird, sondern eine bestimmte Person als „pallake“ bezeichnet wird, was sie offenbar, ohne weitere Beispiele zu nennen, verallgemeinert.

Von diesen Punkten abgesehen gibt es eine Sache, die sich durch die gesamte Dissertation zieht. Die Arbeit besteht aus einer Vielzahl aneinander gereihter Wiederholungen. Das beginnt mit den Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und endet mit der Schlussbetrachtung, die diese noch einmal wiederholt. Mag dieser Umstand auch für jemanden, der sich nur auf diese Zusammenfassungen beschränken möchte, nützlich sein, so ist er für einen Leser des kompletten Aufsatzes eher überflüssig, da Elke Hartmann sich nicht durch einen besonders mitreißenden Sprachstil auszeichnet und man im Nachhinein das Gefühl hat, alles zu lesen und eigentlich im Hauptteil wenig mehr gelesen zu haben. Es ist zudem bedauerlich, da sie ihr Potential, das zweifellos vorhanden ist, verschenkt, wenn sie die Schlussbetrachtung ebenfalls zu einer weiteren einzigen Wiederholung mit durchwegs deskriptivem Charakter degradiert.

Dass die Dissertation an einigen Stellen Schwächen aufweist, heißt aber nicht, dass sie insgesamt schwach ist. Es gibt zahlreiche positive Beispiele, die das Gegenteil belegen.

Mit dem Kapitel „Hochzeit“ wird die Arbeit gleich zu Beginn interessant, die Fachbegriffe werden hier noch sinnvoll und verständlich erläutert. Das Positive setzt sich im vierten Kapitel mit der Herausstellung des Unterschiedes von Hetären und Prostituierten fort. Es gibt viele Kulturen, denen die deutsche Sprache mit Begriffen wie „Prostituierte“ und „Ehefrau“ nicht gerecht wird, da es feinere Unterteilungen gibt. Elke Hartmann stellt dieses für den athenischen Bereich sinnvoll heraus und beugt einer Reduzierung der Hetäre vor. In dieselbe Kerbe, nämlich die der „Ehrenrettung“ der Frau, schlägt auch ihre Herausstellung des Unterschiedes zwischen Realität und Ideal (S. 124f), denn es besteht laut Autorin ein Unterschied zwischen der vorgeschriebenen Rolle der Frau und dem tatsächlichen Maß ihrer Unterdrückung, wie in vielen anderen Kulturen außerhalb Athens auch.

Als sehr interessant habe ich zudem Hartmanns Definition von charis empfunden, der sie eine Überschrift mit dem Titel „Charis – Schönheit, Liebesdienst und Gefälligkeit“ widmet (S. 169ff).

Regelrecht faszinierend war hingegen die beschriebene Bedeutung, die dem Angebot eines Apfels inne wohnte. Dass man mit der Annahme eines angebotenen Apfels im klassischen Athen einer sexuellen Beziehung zustimmte, ist ein interessantes Feld, das dem Apfel auch außerhalb der christlichen und nordischen Mythologie symbolische Bedeutung verleiht.

Alles in allem hat Elke Hartmann also eine interessante Dissertation verfasst, die zwar vor allem einen darstellenden Charakter hat, aber dennoch auch Neues herausstellt. Für Anfänger auf dem Gebiet der Antike ist die Arbeit auf jeden Fall empfehlenswert. 

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